Wenn Sie in die Kirche kommen und sich in eine der Bänke setzen, fällt Ihr Blick auf den Altar. Auf ihn weist auch die Figur Johannes des Täufers links an der Stufe zum Altarraum hin. Genau genommen deutet er auf den betenden Jesus auf dem großen Altarbild. Es geht eben auch in dieser Kirche darum, auf Christus – und damit auf Gott – zu schauen.
„Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land!“
Die Komposition des Altars wie der Kanzel stammt wohl aus dem Jahr 1680. Die verwendeten Figuren sind jeweils älter: Sie werden um das Jahr 1500 entstanden sein und früher wahrscheinlich in einer Nürnberger Kirche gestanden haben.
Der Altar läuft nach oben auf ein Strahlenmedaillon zu, in dem in hebräischen Buchstaben der Gottesname steht: הוהי = „Jahwe“.
Im zweiten Buch Mose wird erzählt, wie Mose beim Hüten der Schafe seines Schwiegervaters eine seltsame Erscheinung sah: Er sah einen brennenden Dornbusch. Mose will diese wundersame Erscheinung genauer betrachten. Aber hier geht es nicht um ein interessantes Spektakel. Mose hört die Stimme Gottes: „Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ (2. Mose 3-6)
Und dann schickt Gott den Mose los, damit er sein Volk aus der Knechtschaft befreie. Und damit die Menschen wissen, mit wem sie es zu tun haben, gibt Gott dem Mose die stärkste Vollmacht, die es gibt: Gott nennt ihm seinen Namen. „Jahwe“ – das heißt: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Das bedeutet: Ich bin für euch Zukunft. Ich komme immer auf euch zu, wenn ihr mich braucht. Ich bin für euch da. Ich werde für euch immer wieder zur Gegenwart.
Jahwe - dieser Gott ist auch der Gott Jesu. Und unser Gott, den wir wie Jesus „Vater“ nennen können. Das heißt: Gott ist uns liebevoll zugewandt. Und dies gilt ganz besonders, wenn wir schwere Zeiten durchzumachen haben. So wie Jesus am Ölberg. Er weiß, was auf ihn zukommt. Er hofft, dass „dieser Kelch an ihm vorübergeht“. Er weint und betet. Und am Schluss steht: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst!“
„Dein Wille geschehe!“ – unser alltägliches Leben ist auch in dieser Hinsicht „heiliges Land“: wir erfahren Feuer, das Schmerzen bringt, aber wir werden – Gott sei Dank – nicht zerstört. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst,“ sagt Gott im Buch des Jesaja; „ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.“ (Jesaja 43,1+2)
Tauferinnerung
Heiliges Land, das wir betreten dürfen, weil wir getauft sind. Der Taufstein stammt wohl noch aus der Vorläuferin unserer Kirche, einer kleinen Schlosskapelle, für die Ende des 14. Jahrhunderts ein Mitglied des Neunkirchener Klosters zum so genannten „Frühmesser“ eingestellt wurde. Der Taufstein ist also etwa sechshundert Jahre alt.
Er ist achteckig und erinnert damit an die acht Menschen, die bei der Sintflut von Gott gerettet wurden: Noah und seine Frau und seine drei Söhne und deren Frauen. Durch die Sintflut sollte beseitigt werden, wodurch sich die Menschen von Gott getrennt haben. Noah und seine Familie sowie alle Arten von Tieren sollten als neue Schöpfung einen neuen Anfang darstellen.
Für uns Christen stellt sich Gott dann noch einmal anders dar: In Jesus Christus wird Gott Mensch. In Jesus Christus überwindet Gott für uns glaubhaft den Tod – eine wahre Neuschöpfung, gleichsam der „achte Tag der Schöpfung“. Auch darauf weist die achteckige Form hin.
„Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott Vater, Sohn und Heilger Geist; ich bin gezählt zu deinem Samen, zum Volk, das dir geheiligt heißt. Ich bin in Christus eingesenkt, ich bin mit seinem Geist beschenkt.“(Evangelisches Gesangbuch, Nr. 200)
Eine Art „Sintfluterfahrung“ also: Das, was uns von der Nähe Gottes trennen könnte, ist gleichsam durch die Taufe untergegangen. Denn die Taufe verbindet uns mit Jesus Christus und lässt uns erfahren, dass auch wir Gottes Kinder sind. Den Getauften steht der Himmel offen!
Das große Kreuz über dem Taufstein weist darauf in einer besonderen Weise hin. Als Jesus Christus von Johannes dem Täufer getauft wurde, sah er auf einmal den Himmel offen und den Heiligen Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herabkommen. Und er hörte eine Stimme vom Himmel, die sprach: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“ (Matthäus 3,17) Dieses Wort Gottes gilt seither allen Getauften: Du bist Gottes geliebte Tochter. Du bist Gottes geliebter Sohn.
Jesus Christus – der Zugang zum Himmel
Über Johannes den Täufer wird unser Blick noch einmal zurück zum Altar gelenkt. „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben,“ sagt Johannes im Johannesevangelium und deutet gleichsam auf Jesus. (Johannes 3,36).
„Ewiges Leben“ meint ein Leben, das nicht von Zeit und Raum bestimmt ist. Es ist nicht wichtig, wo ich lebe, wann und wie lange mein Leben dauert.
„Ewiges Leben“ lässt sich nicht in Jahren, Stunden und Minuten bezeichnen. „Ewiges Leben“ meint: leben im Bewusstsein, dass Gott mich liebevoll anschaut. In jedem Augenblick. Auch in diesem.
Das obere Bild am Altar zeigt Jesus neben Gottvater, zusammen mit dem Heiligen Geist in Form einer weißen Taube. Die Dreieinigkeit Gottes ist für uns sehr schwer zu begreifen. Ein Gott in dreierlei Gestalt – diese Vorstellung fällt uns sehr schwer. Zumal wenn wie hier „Gottvater“ mit einer Papstkrone dargestellt ist. (Das Bild stammt aus vorreformatorischer Zeit!) Aber etwas hemdsärmelig können wir sagen: Weil Jesus Christus „zur Rechten Gottes“ sitzt, müssen wir in Gott nicht mehr nur den strengen Richter sehen.
Das ist der Kern der christlichen Predigt von Gott. An der Kanzel ist das dadurch ausgedrückt, dass den Predigthörern der auferstandene Christus (in rotem Gewand) entgegenblickt. Von ihm und seinen Taten und Worten im Kreis seiner Jünger soll die christliche Predigt handeln.
Zuordnen lassen sich übrigens nur drei der dargestellten Apostel: Auf der Rechten Jesu ist es Johannes (mit dem Kelch), auf seiner Linken dessen Bruder Jakobus (der Ältere, dessen Grab in Santiago de Compostela schon im Mittelalter ein berühmter Pilgerort war) und rechts daneben Judas Thaddäus mit der Keule. Die Apostelfürsten Petrus und Paulus sind am Altar dargestellt: links Petrus mit dem „Himmelschlüssel“, rechts Paulus mit dem Buch. Beide Figuren wurden ziemlich gewalttätig unserem Altar angepasst. Beide verloren dabei je einen Arm.
Die Kanzel wird von einer Mose-Figur getragen. Mose hält die beiden Gesetzestafeln, die Gott ihm auf dem Sinai gegeben hat. So steht die Verkündigung des Evangeliums auf den Schultern des Gesetzes. Mose trägt die christliche Rede von Gott. Und gleichzeitig geht die Verkündigung des Evangeliums über die Befolgung des Gesetzes hinaus.
Das Gesetz, die Thora der Juden, eröffnet den Lebensraum für den gläubigen Menschen. Die so genannten „Zehn Gebote“ sind deshalb nicht Einschränkung, sondern Ermöglichung von Freiheit: Wie Straßenbegrenzungspfähle, die mir den Weg anzeigen, auf dem ich einigermaßen sicher fahren kann. Aber auch wie Orientierungsmarken, die mich auf die Heiligkeit des Lebens hinweisen.